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Mit großer Trauer haben wir erfahren, dass unser Freund Helmut Zwi Steinitz am 24. August 2019 im Alter von 92 Jahren in Tel Aviv verstorben ist.

Am 1. Juni 1927 wurde Helmut Steinitz in Posen geboren. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder wurde er nach dem Überfall auf Polen am 1.September 1939 im November 1939 interniert und in das Krakauer Ghetto verschleppt. Bei der ersten "Räumungsaktion" des Ghettos im Juni 1942 sollte auch die Familie Steinitz deportiert werden. Mit Glück und Instinkt gelang es Helmut jedoch, diesem Transport zu entgehen. Er musste jedoch mit ansehen, wie sein Vater auf dem Sammelplatz erschossen wurde. Seine Mutter und sein jüngerer Bruder wurden in das Vernichtungslager Belzec deportiert und dort umgebracht.

Helmut selbst wurde wenig später in das Konzentrationslager Plaszow verbracht. Von dort erfolgte ein neuer Transport, der ihn ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppte. Er musste im Außenlager Bobrek für die Firma Siemens Zwangsarbeit leisten.

Die Roten Armee begann am 12. Januar 1945 ihre Weichsel-Offensive. Nur wenige Tage später, am 17. Januar 1945, begann die Lagerkommandantur mit der „Evakuierung“ der Häftlinge. Gemeinsam mit anderen Häftlingen kam er nach Buchenwald und wenig später ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Hier wurde er vorerst im Außenlager Haselhorst eingesetzt und kam dann ins Hauptlager. Wenige Wochen später musste Helmut Steinitz wieder auf den Marsch – den Todesmarsch. Am 3. Mai 1945 wurde er gemeinsam mit seinen Kameraden nahe Schwerin befreit.

Nach dem Krieg wanderte er aus und gelangte im März 1946 nach Palästina. Am 20. Juni 1948 gründete er ,nunmehr im Staat Israel, gemeinsam mit anderen Überlebenden auf dem Landgut Bir Salem das Kibbuz Buchenwald (später: Netzer Sereni).

Er lernte seine Frau Regina kennen und gründete eine Familie. Sie bekamen zwei Kinder und zogen nach Tel Aviv, wo er in einem Blumengroßhandel tätig war.

Über viele Jahrzehnte hinweg schwieg er über das Erlebte. Dank der Begleitung von AMCHA, einer Organisation für die psychosoziale Hilfe und Begleitung von Überlebenden der Shoah und ihrer Familien in Israel,  begann er 1990 eine Psychotherapie. 1994 begann er im Alter von 67 Jahren, sein Leben aufzuschreiben und machte es sich fortan zur Aufgabe, über sein Leben zu sprechen. Er reiste nach Deutschland und sprach vor unzähligen Schulklassen.

Schüler und Schülerinnen des Oranienburger Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums führten mit Helmut Steinitz, der den Namen Zwi angenommen hatte, Interviews über seine Erlebnisse. Diese intensiven Begegnungen führten dazu, dass in einem weiteren Projekt der Film "Leben nach dem Überleben - Regina und Zwi Steinitz“ entstand. Dieser Film erhielt im April 2012 den gemeinsam von der Stadt Oranienburg und der Gedenkstätte Sachsenhausen ausgelobten "Oranienburger Toleranzpreis".

Zwi Steinitz nahm als Gast an Präsidiumstagungen des Internationalen Sachsenhausen Komitees teil und war Mitglied im internationalen Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Wir, die internationale Gemeinschaft der im ISK zusammengeschlossenen Häftlingsorganisationen, trauern um einen lieben Freund. Wir werden seine bescheidene, ruhige, und freundliche Art sehr vermissen. Er wird stets einen Platz in unserem Herzen haben. 

Unser Mitgefühl und unsere aufrichtige Anteilnahme gelten seiner Frau Regina, seiner Tochter Shlomit, seinem Sohn Ami und ihren Familien.

 

Im Namen der Mitglieder des Internationalen Sachsenhausen Komitees 

Andreas Meyer

Stellvertretender Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees

 

Vorsitzender des Sachsenhausen-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.


Das Internationale Sachsenhausen Komitee und das Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V. trauern um den ehemaligen tschechischen Häftling Dr. Vojmír Srdečný

Vojmír Srdečný wurde am 6. Oktober 1919 in Albrechtice (Ost-Böhmen) geboren. In Kostelec nad Orlicí besuchte er das Realgymnasium. Nach seinem Schulabschluss ging er an die ehrwürdige Karls-Universität nach Prag und studierte Körperkultur und Sport.

Am 15. November 1939 beteiligte sich Vojmír Srdečný an der bewegenden Überführung des Medizinstudenten Jan Opletal. Dieser war auf der Demonstration aus Anlass des tschechoslowakischen Unabhängigkeitstages, dem 28. Oktober 1939, angeschossen worden und erlag wenige Tage später seinen schweren Verletzungen.

Zwei Tage später, am 17. November 1939, wurde Vojmír Srdečný verhaftet und mit vielen seiner Kommilitonen in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Insgesamt teilten über 1.100 tschechische Studenten sein Schicksal.

Im Januar 1940 musste er mit anderen Häftlingen bei minus 28 Grad stundenlang unbekleidet auf dem Appellplatz stehen. Er sah seine Kameraden um sich herum leblos zu Boden fallen.

Am 20. Dezember 1940 wurde er aus der KZ-Haft entlassen. Nach seiner Freilassung war er bis zum Kriegsende als Hilfsarbeiter bei einer Metallgussgesellschaft beschäftigt. Nach dem Ende des Krieges setzte er sein Studium an der Universität fort.

Von 1947 bis 1964 war er im Bereich der Rehabilitation im Reha-Institut Kladruby (Mittel-Böhmen) und in dem Kurort Velke Losiny (Nord-Mähren) tätig. 1964 wechselte er an die Pädagogische Fakultät in Hradec KR (Ost- Böhmen), wo er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1985 tätig war.

 

Vojmír Srdečný, gilt als Begründer und Förderer des Behindertensports in der Tschechischen Republik. Die ersten Sportspiele der Behinderten im Reha-Institut Kladruby fanden im Jahre 1948 statt. Sie wurden als die sogenannten Kladruby-Sportspiele bekannt.

Deshalb verwundert es kaum, dass er seit den 90er Jahren bis vor wenigen Jahren weiterhin im Bereich Heilgymnastik und Sport für die Behinderten an der Sportfachschule Palestra in Prag tätig war. Er veröffentlichte insgesamt über 350 Fachartikel, Vorträge und Studientexte in tschechischen und ausländischen Fachzeitschriften.

Über viele Jahrzehnte hinweg konnte er den Ort seines Leidens nicht betreten. Erst 2005 überwand er sich und besuchte gemeinsam mit einer Gruppe unter der Leitung von Adolf Burger die Gedenkstätte Sachsenhausen.

 

Vojmír Srdečný war in zahlreichen Verbänden organisiert. So war er, im Rahmen des Tschechischen Verbandes der Freiheitskämpfer, Vorsitzender der Historischen Gruppe „17. November 1939“ sowie Vorsitzender der Vereinigung der befreiten politischen Gefangenen und ihrer Hinterbliebenen. Nicht nur in seiner Heimat war er ein gefragter Zeitzeuge.

 Vojmír Srdečný war viele Jahre – in der  Nachfolge von Adolf Burger - als Vertreter der tschechischen Häftlinge im Internationalen Sachsenhausen Komitee aktiv.

 Wir, die internationale Gemeinschaft der im ISK zusammengeschlossenen Häftlingsorganisationen, trauern um einen lieben Freund. Wir werden seine bescheidene, ruhige und freundliche Art sehr vermissen. An sein legendäres, spontanes Klavierspiel zum ISK- Jubiläum werden wir uns immer gern erinnern. Er wird stets einen Platz in unserem Herzen haben. 

Unser Mitgefühl und unsere aufrichtige Anteilnahme gelten seiner Familie und seinen Freunden.

 

Im Namen der Mitglieder des Internationalen Sachsenhausen Komitees

 

Andreas Meyer

Stellvertretender Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees

 

Vorsitzender des Sachsenhausen-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Der Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen e.V. für den Förderverein / November 2018

 

Zur Zukunft der Erinnerung – Sachsenhausener Erklärung

 

Wir, die Mitglieder des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen e.V., sind beunruhigt. Wir sind Nachkommen von Häftlingen, die überlebt haben oder ermordet wurden, von Tätern, Mitläufern und anderen Zeitgenossen des Nationalsozialismus. Wir kommen aus allen Teilen der Gesellschaft. Wir leben in Oranienburg, Berlin oder an anderen Orten.

Uns eint die Sorge

 vor einer Zeit des Gedenkens, in der keiner der Zeitzeugen mehr lebt, die mit ihrer Präsenz und ihren eindrücklichen Berichten über ihr Erleben und ihr Leiden eine Brücke zur Vergangenheit bauen. Die wirkliche Bewährungsprobe für die deutsche Erinnerungskultur kommt jetzt;

 vor unverantwortlichen Äußerungen und Taten, mit denen die unvorstellbaren Verbrechen der NS-Zeit relativiert werden;

 vor Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Fremdenfeindlichkeit, die wieder zunehmen.

Wir plädieren dafür, unserer Verantwortung vor der Geschichte gerecht zu werden und diesen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. Das bedeutet insbesondere:

 Wir leisten einen Beitrag dazu, die Erinnerungskultur lebendig zu halten, auch indem wir junge Menschen ansprechen und ihr Engagement fördern.

 Wir setzen uns für den Erhalt der Relikte und historischen Spuren des Lagers Sachsenhausen und seiner Kommandos ein.

 Wir bleiben nicht schweigend und tatenlos, wenn das gefährliche Spiel der geistigen Brandstiftung fortgesetzt wird.

Die Gedenkstätte Sachsenhausen ist

 ein Ort der authentischen Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus, dessen verbrecherischer Politik des Völker- und Massenmords in Sachsenhausen zehntausende von Menschen aus mehr als 40 Ländern zum Opfer fielen. Sie ist auch ein Ort des Erinnerns an das sowjetische Speziallager Nr. 7/Nr. 1, in dem in der Zeit von 1945 bis 1950 Menschen aus verschiedenen Gründen – nicht nur NS-Täter und NS-Belastete – inhaftiert waren, litten und starben;

 ein zeithistorisches Museum mit besonderen bildungspolitischen Aufgaben, das eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herstellt;

1 ein Ort der Forschung, an dem wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden;

 ein Ort, an dem Zentausende von Menschen umgebracht wurden. Die Gedenkstätte ist ihr Friedhof.

Wir fordern, allen Versuchen entgegenzutreten, die Verbrechen der NS-Zeit zu relativieren, zu verharmlosen oder zu verdrängen. Wir fordern, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und jede Form von Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie in Deutschland und Europa.


Das Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland trauert um sein Vorstandsmitglied und seinen Freund Jonny Valentin.

Jonny Valentin verstarb am 12.Januar 2019 im Alter von 94 Jahren in Magdeburg. Er gehörte zu den letzten deutschen Zeitzeugen, die noch über ihre Zeit im Konzentrationslager Sachsenhausen berichten können.

Jonny Valentin wurde am 11.6.2024 in Hamburg geboren. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs emigrierte er gemeinsam mit seinen Eltern nach Norwegen. Am 9. April 1940 begann im Rahmen des „Unternehmen Weserübung“ die Besetzung Norwegen. Jonny Valentin musste – damals 16-jährig – als Dolmetscher für die Deutschen arbeiten. Gleichzeitig beteiligte er sich an der illegalen Arbeit des norwegischen Widerstandes. Er unterstütze die Herstellung und Verteilung von Flugblättern. In den Flugblättern wurden die deutschen Soldaten zum Aufgeben aufgefordert. Nach seiner Entdeckung wurde er als politischer Häftling in das Polizeihäftlingslager und spätere Konzentrationslager Grini eingeliefert. Aus diesem südwestlich von Oslo gelegenen Lager wurde er 1942 in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. Nach seiner Ankunft in Sachsenhausen musste er im Schuhprüferkommando und später im Kellnerkommando arbeiten. Im Kellnerkommando beteiligte er sich an Solidaritätsaktionen. So schmuggelte er eine am Bein mittels Verband befestigte Wurst ins Krankenrevier.  

Bis vor einigen Jahren war er als Zeitzeuge eng mit Schülerinnen und Schülern – insbesondere aus Sachsen-Anhalt und Norwegen – verbunden. In Magdeburg lebend, führte er bis ins hohe Alter als Zeitzeuge durch die Gedenkstätte Sachsenhausen. Neben seiner Zeitzeugenarbeit leitete er über viele Jahre als Betroffener die Selbsthilfegruppe Colitis Ulcerosa/Morbus Crohn und organisierte für die Mitglieder der Gruppe ein vielfältiges Angebot von Fach- und Freizeitaktivitäten.

Jonny Valentin war viele Jahre im Vorstand des Sachsenhausen-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V. aktiv.  Wir verlieren mit Jonny Valentin einen sehr guten, treuen und geschätzten Freund und einen langjährigen Mitstreiter. Er und sein reichhaltiger Erfahrungsschatz, seine freundliche, zugewandte Art werden uns fehlen. Wir werden Jonny  immer in würdiger Erinnerung behalten.  

Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei seiner Familie  – insbesondere bei seiner Frau Helga, die Jonny immer wieder nach Sachsenhausen begleitet hat.

Im Namen der Mitglieder des Sachsenhausen-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Andreas Meyer

Vorsitzender Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Gedenkstätten zur Erinnerung an die NS-Verbrechen in Deutschland rufen auf zur Verteidigung der Demokratie.

 

Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Gewalt nehmen als Orte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit einer verbrecherischen Vergangenheit eine wichtige Bildungsaufgabe für die Gegenwart wahr. Ihre Arbeit folgt der aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus gewonnenen Verpflichtung unserer Verfassung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art.1 GG).

 

Lernen aus der Geschichte der NS-Verbrechen heißt auch Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen, wenn eine nachhaltige Schwächung unserer offenen Gesellschaft droht. Wir wissen aus der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, dass Demokratien mit Standards wie dem Grundgesetz, den europäisch und international verankerten Menschenrechten, Minderheitenschutz, Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung mühsam erkämpft wurden und fortdauernd geschützt und ausgestaltet werden müssen.

 

Immer offener etablieren sich in der Gesellschaft Haltungen, Meinungen und Sprechgewohnheiten, die eine Abkehr von den grundlegenden Lehren aus der NS-Vergangenheit befürchten lassen. Wir stellen mit Sorge fest:

- ein Erstarken rechtspopulistischer und autoritär-nationalistischer Bewegungen und Parteien, - eine verbreitete Abwehr gegenüber Menschen in Not sowie die Infragestellung und Aufweichung des Rechts auf Asyl,

- Angriffe auf Grund- und Menschenrechte,

- die Zunahme von Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit,

- eine damit einhergehende Abwertung von Demokratie und Vielfalt.

 

Hinzu kommt ein öffentlich artikulierter Geschichtsrevisionismus, der die Bedeutung des Erinnerns an die Verbrechen des Nationalsozialismus als grundlegende Orientierung der deutschen Gesellschaft in der Gegenwart angreift und durch ein nationalistisches Selbstbild ersetzen möchte.

 

Diesen aktuellen Entwicklungen treten wir mit unserer täglichen Arbeit in der historisch-politischen Bildung entgegen. Aber sie erfordern darüber hinaus politisches und bürgerschaftliches Handeln. Wir appellieren daher an die Akteure in Politik und Gesellschaft, das Wissen um die historischen Erfahrungen mit ausgrenzenden Gesellschaften wie dem Nationalsozialismus für die Gegenwart zu bewahren und sich für die Verteidigung der universellen Grund- und Menschenrechte einzusetzen.

 

Verabschiedet von der 7. Bundesweiten Gedenkstättenkonferenz am 13.12.2018