75. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen

 

 

Trotz Corona - Sachsenhausen-Komitee erinnert an die Befreiung

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

am 22./23. April 1945 befreiten sowjetische und polnische Soldaten rund 3.000 von der SS zurück gelassene kranke Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Zu dieser Zeit befanden sich mehr als 30.000 Häftlinge auf einem Todesmarsch, bei dem mindestens 1.000 von ihnen umkamen. Während des Todesmarsches mussten mehr als 16.000 Häftlinge im Belower Wald bei Wittstock mehrere Tage lang ohne jede Versorgung unter freiem Himmel lagern.

Insgesamt kamen im Konzentrationslager Sachsenhausen, seinen rund 60 Außenlagern und –kommandos und auf dem Todesmarsch mehrere zehntausende Häftlinge ums Leben.

Ursprünglich hatte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gemeinsam mit der brandenburgischen Landesregierung zu den Gedenkveranstaltungen im April anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager rund 150 Gäste – darunter Überlebende, Angehörige und Präsidiumsmitglieder der Internationalen Komitees – aus zahlreichen europäischen Ländern, Israel, Südafrika und den USA eingeladen.

Mitte März mussten jedoch aufgrund der Corona-Epidemie alle geplanten Veranstaltungen abgesagt werden. Diese Entscheidung wurde aus Sorge um die Sicherheit und das gesundheitliche Wohlergehen der Überlebenden und aller anderen Gäste getroffen und auch von den Internationalen Komitees von Sachsenhausen und Ravensbrück mitgetragen. Die Entscheidung ist allen sehr schwer gefallen und wird von allen Seiten zutiefst bedauert.

Gemeinsam hoffen wir, dass die geplanten Veranstaltungen im nächsten Jahr beim 76. Jahrestag der Befreiung Mitte April 2021 durchgeführt und erneut Einladungen an Überlebende und Angehörige ausgesprochen werden können.

In Vorbereitung eines Online-Gedenkens, mit dem die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten an die Befreiung der Häftlinge aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück erinnern wird, wurden am 16. April 2020 in den Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen Kränze und Blumen niedergelegt sowie Videobotschaften und musikalische Beiträge aufgezeichnet.

 

Am Nachmittag legten die brandenburgische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Manja Schüle, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Dr. Axel Drecoll sowie der Stellvertretende Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees, Andreas Meyer, am zentralen Gedenkort „Station Z“ der Gedenkstätte Sachsenhausen Kränze nieder und sprachen Grußbotschaften.


Vorab wurde von Mitgliedern des aus der TV-Serie „Babylon Berlin“ bekannten Moka Efti Orchestra in der Baracke 38  das „Moorsoldatenlied“ sehr bewegend interpretiert.

 

 

Moka Efti Orchestra, 16.04.2020

 

gesang & gitarre: nikko weidemann, kontrabass: paul kleber, banjo: mario kamien, klarinette: sebastian borkowski, violine: roland satterwhite

Das RBB-Fernsehen übertrug am 19. April 2020, um 10.15 Uhr einen Ökumenischen Gedenkgottesdienst zum Gedenken an die Befreiung des KZ Sachsenhausen aus der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin-Charlottenburg. Um 11.00 Uhr folgt die Sendung „Gedenken in Sachsenhausen und Ravensbrück“. Hier wird auch das Moka Efti Orchestra und die Kranzniederlegung zu sehen sein.

 

Die Gedenkstätten Sachsenhausen, Ravensbrück, Below und Brandenburg-Görden erinnern mit einem „virtuellen 75. Jahrestag“ an die Befreiung der Häftlinge der Konzentrationslager und anderer Haftorte vor 75 Jahren. Dazu werden am 19. April zahlreiche Videobotschaften von Überlebenden und Politikern veröffentlicht.

               

Carsten Betzin und Andreas Meyer haben für das ISK und unseren Verein aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen an verschiedenen Gedenkorten Blumen niedergelegt (Gedenktafel für die deutschen Häftlinge des KZ Sachsenhausen, Außenlager „Klinkerwerk“, Sowjetisches Ehrenmal in Oranienburg, Gedenkstein KZ- Außenlager Heinkelwerk, Gedenkstein Hennigsdorf, Gedenkstein KZ-Außenlager Falkensee).

Obere Reihe: Sowjetisches Ehrenmal  -  Außenlager Falkensee  -  Außenlager Heinkelwerk

Untere Reihe: Gedenktafel für die deutschen Häftlinge in Sachsenhausen - Henningsdorf - Klinkerwerk


Grußwort

des Vizepräsidenten des Internationalen Sachsenhausen-Komitees am 16.04.2020 an der STATION "Z"

 

Liebe Überlebende des Konzentrationslagers Sachsenhausen,

liebe Freundinnen, liebe Freunde,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

nichts ist in diesem Jahr wie es war, nichts ist in diesem Jahr wie es sein sollte…

Eigentlich wollte sich in diesen Tagen, hier an diesem Ort, eine Vielzahl von Überlebenden des Konzentrationslager Sachsenhausens mit ihren Angehörigen und mit uns treffen, um gemeinsam zu gedenken und zu erinnern.

Dies ist leider auf Grund der aktuellen weltumfassenden Pandemie nicht möglich. Wir bedauern es sehr und hoffen, dass unserer Freundinnen und Freunde an ihren Wohnorten in vielen Ländern unserer Erde gesund sind und gemeinsam in diesen Stunden, wenn auch nicht körperlich, so doch im Geiste und über das Internet mit uns vereint sind.

 

Fast auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 22. April 1945, wurde das Konzentrationslager Sachsenhausen durch  Angehörige der sowjetischen und der polnischen Armee befreit. Die Soldaten fanden noch etwa 3.000 kranke und gebrechliche Häftlinge vor. Tausende Andere waren am 20. und 21. April 1945 auf den Todesmarsch in Richtung Norden getrieben worden.

Wir gedenken heute der Menschen, die hier im Lager Sachsenhausen, seinen über 60 Außenkommandos und Außenlagern und auf dem Todesmarsch, auf Grund ihrer politischen Weltanschauung, ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer Abstammung, ihrer Lebensauffassung, ihrer sexuellen Orientierung oder Herkunft inhaftiert, gequält, misshandelt und ermordet worden.

Mit Betreten des Lagers wurden die Menschen zu Nummern. Die SS wollte ihnen damit ihre Menschenwürde rauben.                                                                           

Die Würde des Menschen ist und bleibt unantastbar – auch deshalb ist es heute wichtig, den unzähligen Menschen ein Stück ihrer Identität zurückzugeben, damit aus den vielen Nummern wieder Namen, wieder Menschen werden.

 

Wir müssen - unabhängig von Gedenktagen wie diesen - gemeinsam darauf achten, dass die Gedenkstätten, die sich an den authentischen Orten wie Sachsenhausen befinden, auch für die Zukunft erhalten bleiben.

Dies sind europäische Gedenkorte. Dies sind europäische Friedhöfe.

Sachsenhausen ist nicht nur ein Ort der Trauer, des Gedenkens und der Mahnung -  Sachsenhausen ist inzwischen zu einem wichtigen und aktiven Museum geworden und zu einem Ort des Lernens und der Bildung, der Herzensbildung.

Orte wie Sachsenhausen sind für unsere Gesellschaft wichtig, damit wir gemeinsam niemals vergessen, wohin Menschenverachtung, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie führen können.

 

Dieser Ort soll uns immer daran erinnern – Nie wieder!